Masern, Mumps und Co.: Studie deckt große Impflücken auf
Es hapert bei vielen Infektionskrankheiten
Dabei ergab sich folgendes Bild: Die RKI-Studie deckt beispielsweise bei Masern große Impfdefizite auf. Mit zunehmendem Alter nimmt der Anteil derjenigen, die mindestens eine Impfdosis gegen Masern erhalten haben, immer weiter ab. Bei den 18- bis 29-Jährgen ist das bei 79,8 Prozent und bei den 30- bis 39-Jährigen nur noch bei 46,7 Prozent der Fall. Hinzu kommt, dass eine einzelne Impfdosis als unzureichend gilt, vielmehr sind für einen sicheren Schutz zwei Impfungen in Folge erforderlich. Die Krankheit wird von vielen unterschätzt. Komplikationsträchtige Krankheitsverläufe im Erwachsenenalter sind stark angestiegen, wobei vor allem jüngere Erwachsene betroffen sind. Mögliche Komplikationen können hohes Fieber, Mittelohrentzündung, Lungenentzündung, schwere Durchfälle und in besonders schweren Fällen auch eine Gehirnentzündung sein.
Bei Mumps ist die momentane Situation auch nicht besser. Mindestens eine Impfdosis haben nur 75,8 Prozent der 18- bis 29-Jährigen erhalten, und bei den 30- bis 39-Jährigen sind es gerade mal 31,3 Prozent. Angesichts dieser bei Männern und Frauen ähnlich schlechten Durchimpfungsrate ist die Zunahme von Mumps-Erkrankungen bei Erwachsenen nicht verwunderlich. Bei Männern besteht dabei durch eine Entzündung der Hoden das Risiko einer bleibenden Unfruchtbarkeit.
Die Erkrankung an Röteln im Erwachsenenalter ist vor allem wegen möglicher embryonaler Schäden im Fall einer Schwangerschaft bedenklich. Entsprechend sind die Durchimpfungsraten bei Frauen höher als bei Männern, aber trotzdem bestehen riesige Impflücken: In der Altersklasse der 30- bis 39-Jährigen – heute ein Alter, in dem Frauen häufig schwanger werden – haben nur etwas mehr als die Hälfte der Frauen (54,5 Prozent) mindestens eine Impfdosis gegen Röteln erhalten. Bei den 20- bis 29-Jährigen sind es immerhin 80,4 Prozent.
Gegen Tetanus fehlt fast einem Drittel (28,6 Prozent) aller erwachsenen Deutschen ein ausreichender Impfschutz, der alle zehn Jahre aufgefrischt werden sollte. Im Hinblick auf diese Erkrankung ist also ein großes Defizit vorhanden, auch wenn die Durchimpfungsrate heute um zehn Prozent höher liegt als noch vor zehn Jahren.
Noch größer sind die Lücken in punkto Diphtherie, obwohl auch hier ein deutlicher Anstieg der Impfungen zu verzeichnen ist. 42,9 Prozent aller Erwachsenen haben jedoch in den letzten Jahren keine Auffrischimpfung erhalten und sind deshalb aktuell nicht ausreichend gegen Diphtherie geschützt.
Bedenklich auch die Durchimpfungsraten bei Keuchhusten (Pertussis), einer hoch ansteckenden bakteriellen Infektionskrankheit: Wie die Studie zeigt, wurden nur 13,7 Prozent der Frauen und 11,4 Prozent der Männer in den letzten zehn Jahren gegen Pertussis geimpft. Angesichts steigender Erkrankungszahlen bei Erwachsenen empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) seit 2009 grundsätzlich eine Auffrischimpfung im Erwachsenenalter, die in Kombination mit einer fälligen Tetanus-Diphtherie-Impfung durchgeführt werden soll. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Empfehlung in den nächsten Jahren in steigenden Impfraten niederschlagen wird.
Immer öfter erkranken Erwachsene an „Kinderkrankheiten“
Die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland zeigt außerdem, dass ein durchschlagender Erfolg im Kampf gegen die Impfmüdigkeit bislang ausgeblieben ist. So genannte „Kinderkrankheiten“ werden nach wie vor unterschätzt. Viele wissen gar nicht, dass sich immer öfter Erwachsene mit diesen Infektionskrankheiten anstecken. Und das kann sehr bedenklich werden: Masern, Mumps und Co. nehmen nämlich im Erwachsenenalter oft einen schweren Verlauf.
Es ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sind Infektionen mit Masern, Mumps, Röteln und Keuchhusten durch die Einführung wirksamer Impfstoffe bei den Kindern immer seltener, andererseits fehlt durch die fehlende Sichtbarkeit dieser Krankheiten das Bewusstsein in der Bevölkerung, dass auch Erwachsene geimpft werden sollten. Da sich weniger erwachsene Menschen impfen lassen, steigen die Chancen der Erreger, auf ungeschützte Personen zu treffen. Weil aber insgesamt weniger Erreger unterwegs sind, gibt es immer mehr Menschen, die erst im Erwachsenenalter zum Beispiel mit Masernviren oder Pertussisbakterien in Kontakt kommen. Deshalb kommt es zur Verschiebung des Erkrankungsalters mit zunehmend schweren Verläufen.
Diese Entwicklung ist ein herber Rückschlag. Das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgerufene Ziel, die Erreger von Masern, Mumps und anderen Kinderkrankheiten auszurotten, wurde hierzulande immer wieder verfehlt. Die Weltgesundheitsorganisation führt die Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln auf der Liste ihrer Empfehlungen. Bislang haben sich die Erreger nicht geschlagen gegeben. Damit das nachhaltig passiert, sind Durchimpfungsraten in der Nähe von 100 Prozent die unerlässliche Voraussetzung. Hier ist es möglich, durch Kombinationsimpfstoffe, wie der gegen Masern, Mumps und Röteln, gegen mehrere Erreger gleichzeitig zu impfen. Die Krankenkassen übernehmen in diesem Fall die Impfkosten bei Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr sowie bei allen nach 1970 geborenen Erwachsenen mit unzureichendem oder unklarem Impfstatus.
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